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Gibt es im Finanzsystem versteckte Risiken?


Analyse

Nach dem "Banken-Beben" Versteckte Risiken im Finanzsystem?

Stand: 21.03.2023 14:22 Uhr

Nach der Schweizer Bankenrettung hat sich die Aufregung an den Märkten gelegt. Die staatlich orchestrierte Übernahme der Credit Suisse und die schnelle Notenbank-Intervention beruhigt Investoren - vorerst. Doch es bleiben auch Sorgen.

Ein Beben hat die Bankenwelt erschüttert. Nach der Hau-Ruck-Rettung der taumelnden Credit Suisse in der Schweiz am Wochenende und der schnellen Reaktion westlicher Notenbanken scheinen die Anleger vorerst wieder beruhigt zu sein. Am Dienstag zu Handelsbeginn führen Bankaktien den DAX und Eurostoxx deutlich an. Nach fast zwei turbulenten Wochen an der Börse haben Anleger wieder Vertrauen in hiesige Geldhäuser gefasst.

Die Meinung scheint sich durchzusetzen, dass es sich beim Zusammenbruch zweier Regionalbanken in Amerika und der ehemals zweitgrößten Schweizer Bank um Sonderfälle mit hausgemachten Problemen handelt. Und doch sind es Einzelfälle, die auf Schwächen im System hinweisen, glauben einige Kenner der Materie.

Rekordschulden und steigende Zinsen

Wohl prominentestes Beispiel ist der Harvard-Ökonom Kenneth Rogoff. Er wundert sich im Interview mit dem "Handelsblatt", dass die Weltwirtschaft nicht schon im vergangenen Jahr eine systemische Finanzkrise erlebt habe - angesichts des steilen Anstiegs von Inflation und Zinsen: "Wenn die Zinsen während einer Rezession hartnäckig hoch bleiben, gibt es riesige Probleme, da die öffentliche Verschuldung während der Ära der ultraniedrigen Zinssätze auf ein Rekordniveau gestiegen ist."

Aktuell sieht es so aus, dass Deutschland und die USA an einer Rezession - also einem längerfristigen Rückgang des Wirtschaftswachstums - vorbeischrammen. Doch die Schuldenstände vieler Länder sind auf Rekordhoch. In den USA haben sich die Schulden seit der Finanzkrise 2008 mehr als verdreifacht, in der Eurozone sind sie doppelt so hoch wie 2008. Das dürfte den Spielraum vieler Staaten für Nothilfen im Fall von Krisen einschränken - zumal es die Zinswende der Notenbanken auch für Staaten teurer macht, sich zu verschulden.

Wette darauf, dass die Zinsen "ewig" tief bleiben

Entscheidend ist aber das Verhältnis von Schulden zum Bruttoinlandsprodukt, also zur Wirtschaftskraft eines Landes. Hier gibt die Bank-Professorin Christina Bannier von der Universität Gießen Entwarnung für Deutschland und die Eurozone: "Solange die konjunkturelle Entwicklung die Schuldenlast der Staaten trägt - und danach sieht es derzeit aus -, sind hier kaum unmittelbare Effekte zu erwarten." Zumal ein Großteil der Staatsverschuldung in den Händen der Europäischen Zentralbank (EZB) liege und nicht den Bankensektor direkt belaste, so die Wissenschaftlerin gegenüber tagesschau.de.

Indirekte Effekte könnte es aber durchaus geben, wie Ökonom Daniel Stelter in seinem Podcast "Beyond the obvious" analysiert. Viele Finanzmarkt-Teilnehmer hätten darauf gesetzt, dass die Zinsen "ewig" tief bleiben, so der Ökonom. Und diese Wette gehe mit der unerwarteten Rückkehr der Inflation nicht mehr auf. "Das heißt, alle, die sich langfristig gebunden haben mit ihrer Geldanlage und das teilweise über Kredite tun, kommen unter Druck."

Welchen Sektor trifft es als nächstes?

Derzeit wisse keiner so genau, welchen Sektor es als nächstes treffen könnte. "Es können Gewerbeimmobilien sein, es können aber auch Hedgefonds oder Risikokapital-Sammelstellen sein. Oder Start-ups, die, ohne je Geld verdient zu haben, eine Real-Bewertung haben. Deren Gründer haben vielleicht einen Kredit aufgenommen auf diese Werte, die nun gesunken sind", sagt Stelter gegenüber tagesschau.de. "Und wenn das alles jetzt ins Rutschen kommt, dann haben Sie eine Kettenreaktion." Kreditausfälle wären die Folge, was wiederum einzelne Banken treffen könne.

Harvard-Ökonom Rogoff betont im "Handelsblatt", die strengere Regulierung für die Kernbereiche der Bankbranche habe die Risiken verringert. Für andere Bereiche gelte das aber nicht. Private-Equity-Firmen, die sich für den Erwerb von Immobilien stark verschuldet haben, stünden unter Druck. Steigende Zinsen bei gleichzeitig fallenden Gewerbeimmobilienpreisen können zum Problem werden. Ökonom Stelter drückt es so aus: "Ich glaube, das große Risiko ist anders als 2008: Nach über zehn Jahren der Politik des billigen Geldes wissen wir nicht, wo das Geld ist. Wir wissen nur, dass die Beträge gigantisch sind."

Weitere US-Regionalbanken könnten wackeln

Angesichts der starken Regulierung nach der Finanzkrise sehen die meisten Experten wie auch Expertin Bannier derzeit keine neue Bankenkrise aufziehen. Gerade bei vielen deutschen Banken seien die Einlagen recht stabil. "Die typischen Einleger bei Sparkassen und Volksbanken ziehen ihre Gelder nicht bei den ersten dunklen Wolken am Himmel ab", sagt Bannier.

Gewisse Risiken bestünden aber weiterhin für die Regionalbanken in den USA, sagte Marktbeobachter Robert Rethfeld von Wellenreiter Invest bei tagesschau24. "Wir sehen im Moment Depotabflüsse von den Regionalbanken in die großen US-Banken. Und wenn diese Tendenz anhält, dann haben wir ein Problem in den USA: Dann können nämlich die US-Regionalbanken, die einen Großteil der Kredite vergeben - eben auch Geschäftskredite in den USA - ihre Funktion nicht mehr erfüllen." Dies könne zur Rezession führen, weswegen die US-Notenbank deutlich machen müsse, dass auch die Einlagen kleinerer Banken gesichert seien. Laut "Wall Street Journal" plant US-Finanzministerin Janet Yellen entsprechende Schritte.

Angesichts der jüngsten Turbulenzen im Bankensektor richten sich nun alle Augen der Marktteilnehmer auf die Federal Reserve. Die Hoffnung wächst, dass die Notenbank der Vereinigten Staaten die Zinsanhebungen früher beendet als ursprünglich gedacht - und damit für weitere Entspannung am Finanzmarkt sorgt.

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